Integration historischer Karten in
Geographische
Informationssysteme
Über Jahrhunderte wurde räumliches Wissen in Form analoger
Karten festgelegt. Neben topographischen Karten existieren eine Reihe
von Spezialkarten, die zu fest umrissenen thematischen Sachgebieten
hergestellt wurden. Dazu zählen wissenschaftliche Karten (z.B.
geologische Karten), aber auch Unterlagen z.B. der Verwaltung
(Katasterpläne), des Militärs (Festungspläne) und der
Industrie (Bergbaupläne).
Moderne Archivierung: Scannen
Der überwiegende Teil dieser Karten und damit das darauf
festgehaltenen Wissen ist heute nur indirekt über Besuch in
Bibliotheken
und Archiven zugänglich. Ältere Unikate sind de
facto nicht nutzbar, da ihre Verwendung strengen Einschränkungen
unterliegt, um den Zustand der Karten zu erhalten. Moderne
Scantechnologie bietet eine Möglichkeit, Kopien von Karten zu
erstellen, die sowohl zu Archivierungszwecken, vor allem aber auch zur
praktischen Kartenarbeit geeignet sind. Sowohl in Bezug auf
Formatgrößen wie auch
in Bezug auf geometrische Auflösung und Farbtreue stellen
gescannte Karten praktisch identische Kopien der Originale dar. Die
dabei entstehenden nicht unerheblichen Dateigrößen von bis
zu 3 GigaByte sind mit geeigneten Kompressionsverfahren deutlich zu
verringern. Die Nutzung dieser Bilddateien kann mit entsprechender
Software sowohl bildschirmorientiert wie auch herkömmlich durch
Ausdruck der Dateien erfolgen.
Erfassung räumlicher Information in Historischen Karten durch
Geographische
Informationssysteme
Während die Archivierung historischer Bücher mit dem
Scanvorgang weitgehend abgeschlossen ist, stellt sich bei Karten das
Problem, dass die räumliche Information in den Bilddateien nur
indirekt erhalten bleibt. Maßstäbe und Koordinatensysteme
dienen auf Karten zur Verortung und Messung räumlicher Objekte,
sind aber durch die variablen Abbildungsmaßstäbe bei
Darstellung am Bildschirm oder Ausdruck nicht oder nur unzureichend
nutzbar. Der Vergleich mit anderen Karten, z.B. zur Analyse von
raum-zeitlichen Veränderungen, ist nur mit einem weiteren
Hilfsmittel, dem Geographischen Informationssystem (GIS), möglich.
Geographische Informationssysteme speichern neben dem thematischen
Bildinhalt geometrische, raumbezogene Informationen, die es
ermöglichen, gescannte Karten räumlich zu verorten und
lagerichtig darzustellen. Diese aus der Satellitenfernerkundung
stammende Technik der Georeferenzierung ermöglicht es, historische
Karten mit heutigem Kartenmaterial räumlich zu überlagern und
auszuwerten. Damit sind oft jahrhundertealte Informationen für
Forschung, Verwaltung, Planung und Industrie wieder zugängig und
können in Entscheidungsprozesse einfliessen.
Informationstechnologie für Bibliotheken und Archive
Damit steht im Bibliotheks- und Archivbereich die Möglichkeit
zur Verfügung, historisches Kartenmaterial nicht nur wieder
allgemein nutzbar zu machen, sondern mit Hilfe moderner
Informationstechnologie neue Forschungs- und Bearbeitungsmethoden zu
ermöglichen. Über das Internet können Bilddateien
beliebig recherchiert und eingesehen werden. Während die meisten
digitalen Kartenarchive wie z.B. die Library of Scotland aber
lediglich die Ansicht gescannter Karten ohne räumlichen Bezug
ermöglichen, sind mit einem Internet Map Server die Darstellung
von Karten in ihrem räumlichen Kontext, beliebig kombinierbar mit
anderen Kartenwerken, möglich. Projekte wie der digitale Sprachatlas der Universität
Marburg zeigen entsprechende Möglichkeiten auf.
Archivierung, Recherche und Analyse
historischen Kartenmaterials werden dadurch in einem einheitlichem
Konzept möglich.
Ein Anwendungsbeispiel: Altbergbau im GIS
Ein Beispiel stellt die
Integration
historischer Bergbaukarten in heutige Planungsverfahren dar. Durch
Georeferenzierung und Überlagerung mit einer topographischen Karte
kann die Lage alter Stollen festgestellt werden und das von diesen
Objekten ausgehende Gefahrenpotential (Einstürze alter Stollen und
Schachtanlagen) beurteilt werden. Im Bildbeispiel ist ein
Ausschnitt
einer georefenzierten Grubenkarte (ein sog. Rißbild) aus dem Jahr
1774 zu sehen, auf dem die Verläufe der unterirdischen Stollen zu
erkennen
sind, die an Grubenöffnungen enden. Ebenfalls dargestellt sind die
Abraumhalden am Stollenmund. Überlagert ist das Rißblatt
einem in Grau gehaltenen Ausschnitt aus der aktuellen Topographischen
Karte (Maßstab 1:25.000). Die gedrehte Lage des Rißblatts
zeigt, daß der Riß im Original nicht nach Norden orientiert
war - eine kartographische Praxis, die erst ab ca.1880 allgemein
üblich wurde. Der Riß ist halbtransparent dargestellt, um
die Informationen der darunterliegenden Topographische Karte erkennen
zu können. Zwei der Stollenmünder (links unten) liegen unter
einer heutigen Straße und könnten eine potentielle
Gefährdung darstellen.